Wie kommt man nach dem Urlaub wieder ins Schreiben?
Wer gerade Urlaub gemacht hat, weiß, wie schwer es in den ersten Tagen sein kann, in den Alltag zurückzukehren. Besonders das Schreiben will meist nicht klappen. Man ist raus aus der täglichen Schreibroutine, und nichts klingt gut genug, selbst wenn man ein paar Worte zu Papier bringt. Wie also kommt man nach dem Urlaub wieder ins Schreiben?
Sie sitzen am Schreibtisch, starren den Bildschirm an und haben doch nur die Skipisten, die Sandstrände, die Museen und historischen Stätten aus Ihrem Urlaub vor Augen? Und dann war da ja noch diese nette Urlaubsbekanntschaft? Aber eine Idee, wie Sie weiterschreiben sollen, kommt Ihnen nicht? Ich habe sieben Tipps für Sie, wie Sie wieder in Ihren Schreibrhythmus zurückfinden können.
1. Bleiben Sie entspannt
Nach einem wunderschönen Urlaub kann so ein Buch als eine viel zu überwältigende Aufgabe erscheinen. Auf einmal liegt es wie ein riesiger Schotterberg vor Ihnen, den Sie kaum erklimmen, geschweige denn überwinden können, weil Sie bei jedem Schritt wieder nach unten zu rutschen scheinen.
Sorgen Sie deshalb gerade in dieser Übergangsphase von Urlaub zu Alltag besonders gut für sich. Machen Sie es sich am Schreibtisch gemütlich, kochen Sie sich eine schöne Tasse Tee oder Kaffee, holen Sie sich Schokolade, Nüsse und Mandarinen dazu und machen Sie jedesmal vor dem Schreiben etwas, das Sie entspannt. Viele Autor_innen empfinden bspw. Meditation als besonders hilfreich, weil sie den Kopf frei macht und den Fokus schärft.
2. Machen Sie sich mit dem Thema vertraut
Hört sich verrückt an, nicht? Sie sind doch Expert_in für das Thema, Sie kennen es doch in- und auswendig! Stimmt, aber nach einem Urlaub, in dem man gedanklich über Tage und Wochen ganz woanders war, klingt das eigene Thema in den ersten Tagen fremd. Sie haben sich während Ihres Urlaubs von Ihrem Thema, Ihren Vorarbeiten und Ihrem Manuskript entfernt, nicht nur geographisch und gedanklich, sondern auch emotional.
Erwarten Sie also nicht, in der Sekunde, in der Sie sich an den Schreibtisch setzen, dort weitermachen zu können, wo Sie vor dem Urlaub aufgehört haben. Haben Sie Geduld mit sich und Ihrem Thema, und gehen Sie Ihre Materialien noch einmal in Ruhe durch.
Schauen Sie sich an, was Sie bisher geschrieben haben. Und wenn dafür erst einmal die ersten drei oder zehn Schreibtermine draufgehen, dann ist das eben so. Ihr Ziel sollte sein, sich Ihrem Buch aufs Neue so sehr angenähert zu haben, dass es Ihnen wieder vollkommen vertraut ist.
Hier (wie auch in vielen anderen Situationen) kommt Ihnen übrigens die perfekte Vorbereitung zugute. Mehr zu dieser Vorbereitung (inkl. Arbeitshilfe zum Download) finden Sie hier.
3. Verfransen Sie sich nicht in Korrekturen
Wenn Sie, um sich wieder mit Ihrem Buch vertraut zu machen, Ihre bisherigen Texte lesen, dann kann es gut sein, dass Sie sie schrecklich finden. Sie klingen zu banal, zu umständlich, zu verwirrend, zu irgendetwas. Lassen Sie sich davon nicht irritieren. Fangen Sie jetzt nicht an, das bislang Geschriebene umzuschreiben. Widerstehen Sie dem Drang, alle Fehler, die Ihnen auffallen, nun zu korrigieren.
Das wird Sie zu diesem Zeitpunkt nicht nur nicht weiterbringen, sondern womöglich weit zurückwerfen. Denn je mehr Sie sich jetzt in Korrekturen verfransen, desto mühseliger und aufwändiger wird Ihnen Ihr Buch erscheinen, und desto schwieriger wird es, irgendwann zu dem Punkt zu kommen, an dem Sie es weiterschreiben.
Möglicherweise wird schon der Gedanke an das, was noch an Arbeit vor Ihnen liegt, und wie banal, umständlich, verwirrend usw. es dann immer noch klingen wird, Sie ganz davon abhalten, weiterzuschreiben. Also lesen Sie jetzt erst einmal über alle Fehler hinweg. Verschwenden Sie maximal einen kurzen Gedanken an die armen Lektor_innen und Korrektor_innen, die diese Suppe am Ende auslöffeln müssen, und dann machen Sie weiter. Behalten Sie beim Lesen immer das Ziel im Auge: wieder so vertraut mit Ihrem Buch zu werden, dass Sie weiterschreiben können (mit Betonung auf dem Wort „weiterschreiben“).
4. Gehen Sie Ihre Materialien durch
Haben Sie Ihre bisherige Arbeit durchgelesen und sind Sie wieder einigermaßen drin im Thema, nehmen Sie sich Ihre Materialien vor, die Sie für den nächsten Abschnitt, das nächste Kapitel gesammelt haben. Welche Ideen haben Sie sich auf Zetteln oder kleinen Papierfetzen notiert? Welche Sätze, Halbsätze, Begriffe, Sprüche oder Zitate haben Sie diesem Teil Ihres Buches zugedacht? Welche Dokumente haben Sie hierzu gesammelt, welche aktuellen Zahlen, welche Artikel, die Sie beim Schreiben unterstützen sollten? Wie haben Sie all diese strukturiert?
Sich nach dem Lesen der bisherigen Arbeit noch einmal in die Materialien für den nächsten Abschnitt, das nächste Kapitel einzulesen, bringt Ihre Gedanken wieder in Gang. Sie haben sich mit diesen Schritten Stück für Stück wie durch einen Trichter gearbeitet und sind nun an dessen Spitze angelangt, in der sich alles darauf konzentriert, dieses nächste Buchkapitel ganz fokussiert zu schreiben.
5. Machen Sie sich eine Mindmap
Um in das logische Denken zu kommen, das Sie nun fürs Schreiben benötigen, hilft vielen Autor_innen an diesem Punkt, eine Mindmap anzulegen, auch wenn Sie das Kapitel vorab schon strukturiert hatten.
Mindmaps sind ja ganz grundsätzlich eine prima Hilfe, weil sie komplexe Themen übersichtlich darstellen und Zusammenhänge leicht verdeutlichen können. Sie prägen sich vielen Menschen besser ein als eine Liste, und sie lassen durch die Transformation von Text zu Grafik einen ganz neuen Blickwinkel auf die Inhalte zu.
6. Gehen Sie an einen anderen Ort
Nehmen Sie sich Ihre Notizen zu dem nächsten Abschnitt oder Kapitel und gehen Sie woanders hin. Setzen Sie sich z. B. in ein Café, in die belebte Fußgängerzone, ans Flussufer, vor das Museum oder auf einen Bahnsteig. Oder gehen Sie mit Ihren Ideen spazieren – vergessen Sie aber nicht, Notizheft und Stift oder Smartphone mit Sprachapp für Ihre Ideen mitzunehmen.
Während das Sitzen am Schreibtisch manchmal lähmen kann, kann eine solche vorübergehende Ortsveränderung Sie auf völlig neue Ideen bringen, Ihr Denken anregen und Ihnen einen Einstieg in das Kapitel oder den Abschnitt soufflieren.
7. nordsee.text-Spezialtipp: Tragen Sie Ihr Thema vor
Wenn Sie nach all diesen Schritten noch nicht das Gefühl haben, wieder in Ihrem Thema drin zu sein und mit dem Schreiben beginnen zu können, dann habe ich noch einen Geheimtipp für Sie: Tragen Sie Ihr Thema vor. Nehmen Sie sich den Abschnitt oder das Kapitel vor, das Sie schreiben wollen, und dann stehen Sie auf oder setzen Sie sich weg vom Schreibtisch.
Stellen Sie sich vor, Sie würden diesen Abschnitt, dieses Kapitel jemandem vorstellen. Stellen Sie sich dazu ein Publikum vor, das aus einer Person oder einem ganzen Saal bestehen kann. Und dann tragen Sie das Thema laut vor, so wie Sie es vor einem größeren Publikum vortragen würden.
Sprechen Sie wie bei einem Vortrag, bewegen Sie sich dazu durchs Büro, durch die ganze Wohnung, durch den Garten – wo auch immer Sie Platz zum Bewegen haben. Zeigen Sie auf imaginäre Grafiken an der Wand, unterstreichen Sie Ihre Worte mit Gesten, machen Sie einen Witz dazu oder bleiben Sie sachlich – ganz wie es zu Ihnen und Ihrem Thema passt. Verbessern Sie sich zwischendurch, wenn etwas doof oder falsch klingt, blättern Sie auch mal in Ihren Materialien, um nach weiteren Stichworten zu suchen. Es ist ja kein echtes Publikum da, das mit den Augen rollen und gähnen könnte, weil Sie sich verhaspelt haben.
Dieses laute Vortragen, auch wenn Sie selbst Ihr einziges Publikum sind und sich im ersten Moment vielleicht sehr albern vorkommen, kann Ihnen den letzten Kick geben, um mit dem Schreiben zu beginnen. Es bringt Sie auf eine gewisse Distanz, die Sie beim stillen Schreiben weder zum Papier noch zum Bildschirm haben. Und das Gehirn ist auf einmal viel fokussierter, viel klarer und wird Sie manches Mal damit überraschen, dass es Ihnen ein paar tolle neue Ideen und Formulierungen schenkt. Probieren Sie es einfach mal aus!
Und hier noch einmal der Link zu meiner Arbeitshilfe „Startklar zum Schreiben!“ Ich hoffe, dass sie Ihnen die Vorbereitung (und den Wiedereinstieg nach dem Urlaub) erleichtern wird – viel Erfolg!