Die ewigen Selbstzweifel überwinden – wie geht das? – Fünf Tipps für Sachbuch-Autor_innen

Sie melden sich doch immer zum falschen Zeitpunkt, die Selbstzweifel, oder? Dann gähnen sie demonstrativ, schimpfen, verhöhnen Sie oder lachen Sie sogar aus. Wer Bücher schreibt, kennt diese Situation gut. Auch wir Profis müssen uns immer wieder fragen, wie wir unsere ewigen Selbstzweifel überwinden können, um unsere Bücher doch noch fertig zu schreiben.

Kann ich das überhaupt? Ist es nicht vermessen, zu glauben, ich könne ein Buch schreiben? Ausgerechnet ich soll Fachwissen in Buchform weitergeben können? Das wird doch niemand lesen wollen! Die werden mich auslachen! Was bilde ich mir eigentlich ein? Das klingt doch alles grauenhaft und langweilig! Ich bin ein_e Totalversager_in! Bald werden alle wissen, dass ich gar nichts kann!

Glauben Sie mir, diese destruktiven Fragen und Selbstbeschuldigungen kennen wir alle. Und wir alle müssen einen Weg finden, mit diesen Fragen klarzukommen, wir alle müssen diese Selbstzweifel überwinden, denn sonst würden unsere Bücher nie erscheinen.

Die Literaturgeschichte ist voller Beispiele dafür, wie destruktiv Selbstzweifel werden können. Manche Schriftsteller_innen konnten nur betrunken oder in den seltenen nicht ganz so destruktiven Phasen schreiben. Aus der Sachbuchgeschichte kennt man das weniger, denn Sachbuch-Autor_innen zweifeln stiller und selten so sehr im Blick der Öffentlichkeit. Aber sie zweifeln leider nicht weniger.

Dennoch erscheinen Tausende Bücher jedes Jahr – wie geht das? Wie können die Profis ihre Selbstzweifel überwinden, und was davon können Sie ebenfalls tun? Hier sind fünf Praxis-Tipps:

1. Kämpfen Sie nicht gegen die Selbstzweifel an

Autor_innen versuchen mit allen möglichen Strategien ihre Selbstzweifel zu bekämpfen. Manche kleben sich ermutigende „Du schaffst das!“-Mantren an den Bildschirm, in der Hoffnung, sie wirklich bald zu glauben. Andere bringen sich mit Schokolade, Wein und anderem in eine (vermeintlich) positivere Stimmung. Und wieder andere ringen stundenlang mit jedem einzelnen Wort, in der Hoffnung, dass die Selbstzweifel endlich verstummen, wenn sie nur endlich genau den richtigen Ausdruck und Satzbau finden.

Das alles kostet viel mehr Kraft als wir ahnen. Denn, ob wir noch planen oder schon schreiben, im Innern sind wir ständig damit beschäftigt, gegen die Selbstzweifel anzukämpfen, uns selbst davon zu überzeugen, dass wir doch gar nicht so unfähig sind, wie wir es uns gerade einreden wollen. Doch dadurch, dass wir sie permanent zu bekämpfen versuchen (und meistens leider erfolglos, weil wir ihnen dann doch nachgeben), beschäftigen wir uns ständig damit.

Wir verfallen dabei in immer dieselben Muster: wir bewerten diese Selbstzweifel und starten damit einen destruktiven inneren Dialog. Die Selbstzweifel sagen z. B.: Was du da schreibst, ist doch total irrelevant! Und Sie denken sich zuerst: Nein, das ist kolossaler Unsinn! Doch diese Gegenwehr halten Sie nicht lange durch. Bald stimmen Sie ihnen zu: Ja, stimmt, das ist total irrelevant! Aber dabei bleiben Sie nicht, sondern weiten das Ganze noch aus: Das ist nicht nur irrelevant. Es ist auch peinlich. Es wird mich vor aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgeben! Alle werden erkennen, dass ich eigentlich ein_e Hochstapler_in bin und in Wirklichkeit nicht die geringste Ahnung habe!

Diese inneren Dialoge verstärken die Destruktivität Ihrer Selbstzweifel. Wenn Sie Ihren Selbstzweifeln aber einmal nachgeben, kommen Sie aus diesem Teufelskreis nur schwer heraus. Da helfen alle Mantren, Schokoladen- und Weinvorräte nichts, und auch nicht der perfekteste aller Perfektionismen. Mein erster Tipp ist deshalb: geben Sie Ihren Selbstzweifeln nicht so viel Macht über sich. Wie das gehen kann? So:

Kämpfen Sie nicht gegen die Selbstzweifel an. Sie wissen, dass sie kommen werden, genauso wie Sie wissen, dass nach Sonnenschein immer irgendwann Regen kommt. Nehmen Sie sie hin, wenn sie kommen. Sehen Sie sie kommen, und dann schauen Sie ihnen dabei zu, wie sie an Ihnen vorüberziehen. So wie es Regenwolken auch tun. Sobald Sie aber bemerken, dass Ihr innerer Dialog doch wieder losgeht, dass Sie sich innerlich gegen die Zweifel verteidigen oder ihnen recht geben und sie sogar noch verstärken, stoppen Sie sich sofort. Lassen Sie die Selbstzweifel einfach weiterziehen. Bewerten und kommentieren Sie sie nicht.

Wenn Sie dies ab sofort tun, sowie die Selbstzweifel sich melden, dann passiert bald etwas, das alle, die meditieren, sehr gut kennen: die Selbstzweifel verlieren nach und nach ihre Macht und ihren destruktiven Einfluss auf Sie. Beim Schreiben sind Sie dann weniger angespannt, weniger unter (negativem) Druck und können dadurch viel befreiter planen und schreiben.

2. Akzeptieren Sie Ihre eigene Unvollkommenheit

Das ist wahrscheinlich der schwerste Schritt im Umgang mit den ewigen Selbstzweifeln: zu akzeptieren, dass man nicht perfekt ist, dass man Fehler macht, und dass das o. k. ist. Gerade für Frauen, denen von Kindheit an beigebracht wurde, dass es angeblich ihre Hauptaufgabe sei, sich permanent selbst zu optimieren, ist dieser Schritt manchmal besonders schwer.

Haben Sie aber keine Sorge: selbst wenn Sie Ihre Unvollkommenheit akzeptieren, selbst wenn Sie bei der Vorstellung Fehler zu machen nun lernen sich zu entspannen, heißt das nicht, dass Sie deshalb am Ende schlechte Qualität abliefern werden. Es bedeutet nur, dass Sie netter zu sich selbst sein werden, wenn Sie Fehler entdecken. Dass Sie nicht mehr in den Teufelskreis der Selbstbeschimpfung geraten, sondern dass Sie sich mit all Ihren Fehlern akzeptieren wie Sie sind, ohne diese Fehler (oder sich selbst) negativ zu bewerten.

3. Konzentrieren Sie sich immer auf den nächsten Schritt

Selbstzweifel sind oft so besonders erfolgreich, weil wir uns nicht auf das konzentrieren, was vor uns liegt. Wir sehen nicht, dass wir z. B. die allererste Fassung unseres allerersten Buches schreiben, obwohl wir noch nie zuvor mehr als ein zweiseitiges Memo geschrieben haben. Stattdessen sehen wir in vorauseilender Panik in dem, was wir schreiben, schon das Endprodukt, für das wir (womöglich) ausgelacht und nicht mehr für voll genommen werden.

Denken Sie deshalb nicht an das, was sein wird. Denken Sie nicht an fiktive Reaktionen anderer, von denen Sie noch gar nicht wissen oder auch nur ahnen können, wie sie ausfallen werden. Denken Sie ausschließlich an das, was vor Ihnen liegt. Konzentrieren Sie sich nicht auf womöglich furchtbare Verrisse auf Amazon und in Fachzeitschriften, sondern auf den nächsten Schritt. Und der ist in der Regel: der nächste Satz, der nächste Absatz, das nächste Kapitel.

 


 


4. Holen Sie sich Unterstützung ins Boot

Insbesondere, wenn man noch nicht viel Erfahrung im Buchschreiben hat, können die Selbstzweifel überwältigend sein und viele davon abhalten, ihre Bücher zu schreiben. Das ist nicht immer schlecht, denn nicht jedes erträumte Sachbuch wird ein nützliches, gutes und sinnvolles Sachbuch werden. Aber oft ist es sehr, sehr schade. Den Leser_innen geht dadurch so viel Fachwissen verloren, so viel Berufs- und Lebenserfahrung, aus der sie lernen könnten.

Sollten Sie die Selbstzweifel (wieder) einmal überwältigen, sollten Sie aber dennoch bereit sein, Hilfe anzunehmen, dann holen Sie sich Unterstützung ins Boot. Das kann ein professionelles Coaching sein oder eine Person aus Ihrem Umfeld, der Sie vertrauen, deren Ansichten Sie schätzen und deren konstruktive Kritik Sie nicht als vernichtend, sondern als Ansporn begreifen.

Gerade Letzteres ist wichtig, denn ein komisch klingendes „Hmmm“ oder auch nur eine leicht gelupfte Augenbraue bei Ihrem Gegenüber kann Ihren inneren, destruktiven Dialog sofort wieder eröffnen. Und dann wird er so schnell nicht wieder aufhören, den Sie hören dieses „Hmmm“ und sehen diese Augenbraue nun ständig vor sich. Suchen Sie sich deshalb immer eine Person, mit der Sie sich schon in der Vergangenheit konstruktiv austauschen konnten oder deren gelupfte Augenbraue Sie absolut sicher nicht zum Aufgeben Ihres Buches bewegen wird.

5. Versuchen Sie nie, Ihre Selbstzweifel vollständig loszuwerden

Wie bitte? Eben hieß es noch, dass Selbstzweifel destruktiv sind, und jetzt soll ich sie nicht loswerden? Sie haben richtig gelesen. Und das hat einen ganz einfachen Grund.

Wer keine Selbstzweifel (mehr) hat, neigt dazu, sich als unfehlbar zu begreifen und die Schuld immer nur bei anderen zu suchen. Daraus entsteht im harmlosesten Falle Pfusch, im schlimmsten Fall führt es zu Krieg und Zerstörung. Sie müssen für ein Beispiel einer solchen Selbstüberhöhung gar nicht nur zum momentanen Präsidenten der USA schauen, der Ihnen dabei vielleicht als erstes einfallen mag. Sie finden zahlreiche Beispiele auch in unserer Regierung und in vielen Führungspositionen in der Wirtschaft, der Lehre und der Kultur.

Bei Büchern führen fehlende Selbstzweifel zu verzerrter Darstellung aufgrund von Einseitigkeit, kaum recherchierten Inhalten und falschen Informationen, zu Polemik oder auch, wie ich es in den letzten Jahren bei Sachbüchern leider vermehrt beobachte, zur Anstachelung der Leser_innen zu Ausgrenzung und Hass, anstatt zu sachlicher Aufklärung, Verständnis und Dialog.

Ja, Selbstzweifel können destruktiv sein – wenn Sie ihnen diese Macht geben. Doch Selbstzweifel können auch sehr hilfreich sein. Denn sie tragen dazu bei, dass Sie die Bodenhaftung behalten und realistisch bleiben, dass Sie sich selbst Fehler eingestehen können, und dass Sie konstruktive Kritik und Unterstützung annehmen können. All das wird Ihr Buch garantiert besser machen.

Um zum Schluss auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, „Die ewigen Selbstzweifel überwinden – wie geht das?“, kann ich Ihnen sagen: Überwinden werden Sie sie wahrscheinlich nie ganz. Das ist auch, s. o., gar nicht unbedingt wünschenswert. Doch Sie können sich mit meinen Tipps den Umgang mit Ihren Selbstzweifeln erheblich erleichtern, so sehr sogar, dass Sie trotz aller Zweifel weitgehend entspannt weiterschreiben und ein richtig gutes Buch herausbringen können.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!