Wie fängt man ein Sachbuch an?
Wie fängt man ein Sachbuch an? Was soll man da schreiben? Und warum ist der Anfang überhaupt so wichtig? Hier gibt’s Antworten auf diese Fragen.
Wie entscheiden Sie eigentlich, ob Sie ein Buch kaufen möchten? Im Buchladen werden Sie vielleicht das Cover sehen, den Titel begutachten, wenn beides interessant ist, den Klappentext lesen. Und dann? Dann lesen die meisten Menschen die ersten Seiten des Buches. Viele entscheiden da schon: liegenlassen oder kaufen. Einige lesen erst noch Textstellen in der Mitte des Buches und am Ende. Doch die entscheidenden Seiten bleiben die ersten.
Im Internet läuft das nur ein kleines bisschen anders, denn da liest man vielleicht zuerst eine Rezension, sieht dann das Cover und den Titel und versucht schließlich eine Leseprobe zu bekommen. Die besteht meistens, wenn auch nicht immer, aus den ersten Seiten des Buches. Danach muss man entscheiden, ob man das Buch kaufen und lesen möchte oder nicht.
Sie haben nur wenige Sätze lang Zeit, die Leser_innen zu überzeugen
Sie als Autor_in haben also nur ein paar Sätze lang die Chance, Ihre Leser_innen so sehr von Ihrem Buch zu überzeugen, dass sie es kaufen und lesen. Manchmal ist der Einstieg so gut, dass man sich gleich im Buchladen in die Ecke stellt und drauflos liest. Manchmal kauft man deshalb im Internet erst einmal das E-Book, damit man nicht so lange auf die Schneckenpost warten muss.
Doch wie schaffen Sie es nun, diesen Effekt bei Ihren Leser_innen auszulösen?
Natürlich kommt es darauf an, was für ein Sachbuch Sie schreiben. Ein Fachbuch oder ein Arbeitsbuch werden ziemlich sicher anders beginnen als eine Autobiografie oder ein erzählendes Sachbuch. Doch der Weg zum gelungenen Buchanfang ist bei allen sehr ähnlich.
Ein Buchanfang gelingt am besten, wenn Sie Ihre Zielgruppe gut kennen
Schauen Sie sich zunächst noch einmal Ihre Zielgruppe genau an. Falls Sie die noch nicht so genau kennen, dann sollten Sie jetzt einen großen Schritt zurückgehen und Ihr Buch noch einmal detaillierter vorbereiten (Tipps dazu inkl. einer Gratis-Arbeitshilfe finden Sie hier).
Eine gute Kenntnis Ihrer Zielgruppe ist die Voraussetzung eines gelungenen Buchanfangs. Fragen Sie sich: Wofür interessiert sich diese Zielgruppe? Was möchte sie lesen? Was erwartet sie von einem Buch dieses Genres? Was liest sie normalerweise am liebsten? Möchte sie das Format lesen, das sie bereits kennt, oder wäre sie offen für einen neuen Schreibstil und eine etwas andere Präsentation der Inhalte?
Schreiben Sie, was Sie selbst gerne lesen
Im nächsten Schritt fragen Sie sich, was Sie selbst gerne lesen. Schauen Sie sich Buchanfänge der Sachbücher an, die Sie zuletzt gelesen haben. Welche haben Sie sofort in Bann gezogen? Bei welchen hatten Sie große Schwierigkeiten und warum?
Manchmal ist es nur ein Gefühl, das uns dazu bringt, weiterzulesen oder das Buch gar nicht erst zu kaufen. Zum Schreiben reicht dieses eigene Gefühl aber nicht: Sie müssen herausfinden, was Sie an den aus Ihrer Sicht schlechten Buchanfängen stört und was Sie bei den aus Ihrer Sicht guten zum Weiterlesen veranlasst hat. Blättern Sie sich durch Ihr Bücherregal oder gehen Sie in eine Bücherei und machen Sie sich dabei Notizen. Sie werden sehen, dass Sie bald ein recht klares Bild haben, warum Sie welches Buch gut fanden oder weitergelesen haben.
Überlegen Sie sich, was Sie mit dem Einstieg bewirken möchten
Sie haben bei anderen Büchern nun herausgefunden, was Sie zum Weiterlesen animiert hat, welche Faktoren, welcher Stil, welche Herangehensweise Sie am meisten überzeugt. Überlegen Sie nun, welche Wirkung diese Einstiege auf Sie hatten. Die aus Ihrer Sicht positiven Buchanfänge werden sicherlich einen Eindruck von fachlicher oder schreiberischer Fähigkeiten bei Ihnen geweckt haben. Und sie haben Sie dazu gebracht, das Buch zu lesen. Doch welche Wirkung hatten sie darüber hinaus?
Ist diese Wirkung dieselbe, die Sie mit Ihrem Buchanfang anstreben? Falls nicht, fragen Sie sich, was Sie mit dem Einstieg bei Ihren Leser_innen bewirken wollen: Möchten Sie sie sofort überzeugen? Sie in ihren Ansichten bestätigen? Sie neugierig machen? Ihnen Lösungen versprechen (die Sie dann aber auch bringen müssen)? Sie sofort aufklären, also die Lösung des Problems gleich an den Anfang stellen, wobei Sie die Werkzeuge, den Weg zur Lösung dann im Buch beschreiben? Oder möchten Sie noch etwas anderes bewirken?
Welche Gefühle möchten Sie mit dem Einstieg auslösen?
Stellen Sie sich aber auch die Frage, welche Gefühle Sie mit dem Einstieg auslösen möchten. Denn so rational wir Menschen gerne sein möchten, weil unsere derzeitige Gesellschaftsform Rationalität als primär ausschlaggebende Kompetenz ansieht, – am Ende entscheiden wir doch meistens nach Gefühl.
Das ist gar nicht nur bei Belletristik der Fall. Auch bei einem Sachbuch, das uns Wissen vermitteln soll, welches wir bis dahin nicht hatten, brauchen wir ein bestimmtes Gefühl, um zuzugreifen. Zunächst müssen wir natürlich das Gefühl haben, dass die Autor_innen kompetent sind. Doch wir nehmen in der Regel ja an, dass die, die ein Buch schreiben, über ausreichend Kompetenz verfügen, denn sonst würden sie kein Buch schreiben. Doch das allein genügt nicht.
Was möchten Sie darüber hinaus bei den Leser_innen auslösen? Vielleicht ein Gefühl der Wärme? Oder das Gefühl, dass sie bei Ihnen in guten Händen sind? Dass Sie definitiv Antworten auf ihre Fragen geben werden? Dass sie bei Ihnen wesentlich mehr erfahren als bei anderen? Dass sie etwas Exklusives bei Ihnen erfahren werden? Dass Sie ihnen das Neuste vom Neuen vermitteln werden? Dass Sie ihre Weltsicht erschüttern, aber dann auf ein neues Standbein setzen werden? Welches Gefühl soll für Ihre Leser_innen kauf- und lese-entscheidend sein?
Kommen Sie beim Buchanfang auf den Punkt
Haben Sie all diese Dinge beisammen, können Sie daraus ableiten, was für einen Buchanfang Sie schreiben sollten. Für alle Genres, nicht nur für Autobiografien, gilt aber: Kommen Sie zum Einstieg auf den Punkt. Gönnen Sie sich keine ausschweifenden Erzählungen, kein langes Blabla, nichts, das nicht zielgenau auf Ihr Thema hinführt und/oder nichts mit dem, was sie nun zu Ihrem Buchanfang erarbeitet haben, zu tun hat.
Denken Sie daran, dass Ihre Leser_innen etwas über Ihr Thema wissen möchten, und zwar sofort. Fackeln Sie deshalb nicht lange herum, sondern steigen Sie sofort in Ihr Thema ein.
Sollten Sie bereits einen Buchanfang geschrieben haben, der aus Ihrer Sicht oder aus der Ihrer Testleser_innen noch nicht ganz rund ist, dann kann ich Ihnen noch einen der wichtigsten Praxistipps geben:
Behelfen Sie sich mit einem Trick aus dem Journalismus
Streichen Sie den ersten Satz. Wenn das nicht hilft, streichen Sie den ersten Absatz. Dann streichen Sie die ersten Seiten. Dann streichen Sie das erste Kapitel.
Kein Witz: Dieser oft sehr schmerzhafte Trick aus dem Journalismus hat nicht nur unzählige Texte und Bücher lesbar gemacht, sondern auch dazu geführt, dass sie tatsächlich gelesen wurden und werden. Denn wir alle neigen dazu, uns zu lange mit unerheblichen Vorgeschichten und Details aufzuhalten. Wir kommen erst sehr spät auf den Punkt. Deshalb braucht es manchmal einen solchen krassen Schnitt, um einen wirklich guten Buchanfang zu bekommen.
Noch einmal: Sie haben nur wenige Sätze lang Zeit, um Ihre Leser_innen im Buchladen oder am Bildschirm von Ihrem Buch zu überzeugen! Wählen Sie deshalb sorgsam aus, wie Sie in Ihr Buch einsteigen werden.
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