Gute Vorsätze fürs neue Jahr? Nie wieder Luftballons fliegen lassen!

Endlich anfangen, das Buch zu schreiben! Mehr Sport machen! Mehr Bücher lesen! Weniger Schokolade essen! Fassen Sie auch Jahr für Jahr solche Vorsätze zu Silvester? Die Sie dann doch nie dauerhaft umsetzen? Wie wäre es da mal mit einem kinderleicht umzusetzenden Vorsatz: Nie wieder Luftballons fliegen lassen! Warum?

Schauen Sie sich dieses Bild vom Strand der Nordseeinsel Amrum an: Ist das nicht traumhaft schön?

Muell_am_Strand-4-1_©_Birte_Vogel

Sonne, Strand und Wasser – Ruhe, Entspannung und Natur pur. Genau das, was man sich zur Erholung wünscht, nicht wahr?

Das Bild aber trügt. In Wirklichkeit zeigt es nur einen Ausschnitt. Das ganze Bild sieht so aus, wenn auch schon aufgeräumt:

Müll am Nordseestrand (Foto: Birte Vogel)

Eine halbe Stunde hat gereicht, um diesen Müll zu sammeln.

Diese und viele andere Dinge werden bei jedem auflandigen Wind angeschwemmt. Das muss gar kein Sturm sein, ein ganz normaler Westwind genügt. Deshalb habe ich bei jedem Spaziergang diesen bunten Sack mit und packe ihn voll mit allem, was ich an Müll finde:

Schnüre, Reste von Fischnetzen, Getränketüten, Plastikbecher, Plastiktüten, Kanülen, Bürstengriffe, Lippenstifthüllen, Flaschendeckel, Kugelschreiberhüllen, Feuerzeuge. Dazu kommen zahllose Fischwannen, Kanister, Plastikflaschen, Gummihandschuhe, Windeln, Gläser (einst gefüllt mit Mayonnaise, Gurken, Nutella usw.) und massenhaft Plastikteile, die sich nicht zuordnen lassen.

Schauen Sie sich mal an, was jeden einzelnen Tag bei uns landet:

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Da fehlen nun aber noch die unzähligen Gasflaschen, Feuerlöscher, Tonnen, Schuhe, Pullover, Chemikalien, Bauschaum und all das, was Menschen für überflüssig halten und loswerden möchten.

Woher das alles kommt, hat die internationale Umweltorganisation KIMO untersucht: 20-40 Prozent des Mülls im Meer stammen aus der Schifffahrt, der Fischerei und von Offshore-Arbeiten. Doch 60-80 Prozent stammen vom Festland.

Sie kennen vielleicht die grauenhaften Bilder der vollkommen zugemüllten Strände in Teilen Asiens, Afrikas und Südamerikas (z. B. im Senegal oder in Manila). So schlimm ist es hier noch nicht. Doch wir sind auf dem besten Weg dorthin.

Manche Strandkorb-Mieter_innen haben es sich mittlerweile, scheinbar nach dem Vorbild des Künstlers Pancho, zum Spaß gemacht, den angeschwemmten Müll zu sammeln und neben ihren Strandkörben wie Trophäen auszustellen:

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Doch was passiert, wenn der Sommer vorbei ist? Sie lassen den Müll zurück.

Mit dem Ergebnis, dass die nächste Sturmflut den ganzen Müll wieder mitnimmt, um ihn am nächsten Tag wieder hier oder anderswo anzuschwemmen. Seit der Sturmflut im November ist von den obigen beiden „Kunstwerken“ aus dem Sommer 2017 nichts mehr da. Aus denen, die vielleicht damit gegen all den Müll protestieren wollten, sind auf diese Weise Müll-Verursacher_innen geworden, die nun ebenfalls die Nordsee und unsere Strände verschmutzen, anstatt den Müll zu entsorgen.

Eine der häufigsten Verschmutzungen sind Luftballons

Vielleicht denken Sie jetzt, weil Sie ja keine Fischnetze benutzen und keine Schuhe ins Meer werfen, sei alles gut. Da muss ich Sie leider enttäuschen. Selbst wenn Sie noch nie einen Schritt auf diese Insel gemacht haben: Sie sind mit großer Wahrscheinlichkeit Teil des Problems.

Denn jede aus Versehen verlorene Snackpackung, jede wegfliegende Plastiktüte, jede auf der Straße ausgedrückte Zigarette trägt zu dieser Verschmutzung bei.

Eine der auffälligsten und häufigsten Verschmutzungen sind die beliebten Luftballons. Kaum ein Kinderfest, kaum eine Hochzeit, Demonstration und kaum ein Gemeindefest, an denen sie nicht, mit guten Wünschen versehen, losgelassen werden – und dann bei uns landen:

Müll am Nordseestrand (Foto: Birte Vogel)

Der Startpunkt dieses Luftballons war ein Sommerfest mitten in Ostfriesland, etwa 40 km von der Nordseeküste entfernt. Zwei Monate und 150 km Luftlinie später landete er, im Seetang verheddert, am Strand von Amrum.

Wenn Sie schon einmal eine solche Luftballon-Aktion miterlebt haben oder selbst für sich und Ihre Kinder irgendwo einen Ballon mitgenommen und ihn haben fliegen lassen: Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wo er landet? Dass er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einfach in Luft auflösen oder von selbst den Weg in den richtigen Mülleimer finden wird?

Die Einzelteile eines Luftballons brauchen sehr lange, um abgebaut zu werden. Wie lange, zeigen Tafeln, die an den Strandübergängen auf Amrum stehen:

Müll am Nordseestrand (Foto: Birte Vogel)

Damit ist so ein Luftballon eine schier ewige Gefahr für Vögel und Fische. Denn die fressen die kleinen Teile, weil die so lecker nach Salzwasser riechen, und verhungern dann bei vollem Magen. Oder sie verheddern sich derart in den Netzen und Schnüren, dass sie jämmerlich ersticken oder bewegungsunfähig werden und elend eingehen.

Da der Ballonrest auf dem Foto oben ausnahmsweise mit Absender angespült wurde, habe ich bei der dort angegebenen Dorfgemeinschaft in Ostfriesland angerufen. Der Veranstalter (der gerne anonym bleiben wollte) erzählte mir, dass der Luftballon Teil eines Wettbewerbs war. Kinder durften einen Ballon für einen Euro kaufen und halfen damit, die Kasse der Krabbelgruppe aufzubessern. Dann wurden die Ballons losgelassen und jedes Kind hoffte, dass seiner am weitesten fliegen würde. Denn zum Weihnachtsmarkt werden nun jene Ballonreste ausgewertet, die an die Dorfgemeinschaft zurückgeschickt wurden. Die drei Kinder, deren Luftballon am weitesten geflogen ist, werden zwischen 30 und 60 Euro gewinnen.

Ansich ist das eine schöne Idee, gerade für Kinder natürlich ein großer Spaß – würde das Ganze nicht auf Kosten der Natur gehen. Doch viele bedenken die Folgen nicht, selbst wenn sie sie kennen.

Eine erste Gemeinde beschließt, umzudenken

„Eigentlich hat man das ja genug im Fernsehen gesehen“, sagte mir der Veranstalter im Spätsommer. „Vielleicht muss man sich mal eine ökologische Alternative ausdenken. Oder auch ein ganz anderes Gewinnspiel machen.“ Er sagte mir damals zu, mit den anderen Vereinsmitgliedern darüber zu sprechen.

Im Dezember 2017 berichtete er mir schließlich, dass die Vereinsmitglieder nun dafür gestimmt hätten, den Luftballon-Wettbewerb abzuschaffen. Das ist nicht selbstverständlich, und ich bin den Mitgliedern sehr dankbar, dass sie sich jetzt nach einer umwelt- und tierverträglichen Alternative umsehen werden.

Stellt sich nun noch die Frage: Wozu müssen Luftballons eigentlich fliegen gelassen werden? Noch dazu mit Plastikbändern, Plastikstöcken oder, wie dieser hier von McDonalds, noch mit einem weiteren Plastikteil zwischen Ballon und Plastikband?

Müll am Nordseestrand (Foto: Birte Vogel)

Die niederländische Herstellerfirma WISA, die sich auch „die Spaßfabrik von McDonald’s“ nennt, berichtet stolz, sie habe immer zwei Millionen dieser Luftballons auf Vorrat. Dass dieser Spaß aber gar keiner ist, sondern eine völlig sinnlose Umweltverschmutzung, kommt ihnen anscheinend nicht in den Sinn.

McDonalds will keine Verantwortung übernehmen

Meine Presseanfrage an McDonalds wurde nicht beantwortet – so viel Verantwortung will der Konzern offensichtlich gar nicht übernehmen. Obwohl sie das Problem dort schon seit mindestens drei Jahren kennen, denn unsere Nachbar_innen von der Hallig Süderoog haben schon 2014 deswegen an McDonalds geschrieben. Doch außer den üblichen PR-Blasen und Lippenbekenntnissen passierte offensichtlich gar nichts.

Weil aber gerade diese überflüssigen Luftballons ein riesiges Problem sind, hat der Mellumrat sogar eigens ein Poster dazu veröffentlicht.

Doch auch Politik und den Rest der Wirtschaft interessiert es nicht, dass ungezählte Tiere durch solchen Müll ums Leben kommen, und dass wir hier auf den Nordseeinseln und Halligen gezwungen sind, zu ehrenamtlichen Müllsammler_innen zu werden, damit wir unsere wunderschöne Landschaft auch selbst noch genießen können. Sogar unsere Gäste helfen dabei mit, weil sie es nicht mit ansehen können, wie ihr Urlaubsziel ohne eigenes Verschulden zugemüllt wird.

Eine lächerliche EU-Richtlinie zeigt: der Wille fehlt

Die EU hatte 2008 eine Rahmenrichtlinie verabschiedet, die, so heißt es, dafür sorgen sollte, dass die europäischen Meere bis 2020 in einem „guten Umweltzustand“ sein werden. Doch schon die Definition, was ein „guter Umweltzustand“ ist, bleibt jedem Anrainerland selbst überlassen. Was in den vergangenen Jahren dabei herausgekommen ist, sehen Sie an den Fotos.

Bis heute gibt es keinerlei wirksamen Instrumente, um die Verursacher_innen des Mülls in der Nordsee angemessen in die Pflicht zu nehmen oder die Vermüllung zu stoppen. Je mehr ich dazu recherchiert habe, desto stärker wurde mein Eindruck, dass ein Ende der Vermüllung gar nicht gewollt ist. Die lächerliche EU-Richtlinie zeigt jedenfalls: der Wille fehlt.

Den Küstengemeinden bleibt deshalb nichts übrig, als weiterhin selbst aufzuräumen. Doch das ist eine elende Sisyphusarbeit – die Gemeinden können das gar nicht aus eigener Tasche finanzieren und sind auf die Mithilfe der Einheimischen (und Gäste) angewiesen.

Bester Vorsatz, kinderleicht und garantiert umsetzbar

Und da kommen Sie ins Spiel und mein kinderleichter Vorschlag für Ihren garantiert umsetzbaren Vorsatz für das kommende Jahr:

Kaufen Sie bitte nie wieder Luftballons. Lassen Sie nie wieder Luftballons fliegen. Und wenn irgendwer in Ihrer Stadt eine Aktion plant, bei der Luftballons als Deko herhalten oder sogar fliegen gelassen werden sollen, ob Kinderfest, Demo, Stadtfest oder Hochzeit, dann bitten Sie sie, sich etwas anderes auszudenken.

Zeigen Sie ihnen gerne meine Fotos oder auch die der Hallig Süderoog. Verteilen Sie das Poster des Mellumrats. Es gibt so viele Alternativen, wie man ein Fest bunt und einen Wettbewerb spannend gestalten kann – Alternativen, die aber die Natur nicht dermaßen beschädigen. Schreiben Sie, wenn Sie mögen, auch einmal an die Hersteller, an Firmen wie McDonalds und an die Politik.

So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Ich wäre neben allem anderen wirklich froh, wenn ich irgendwann einmal nur einen einzigen Strandspaziergang machen könnte, ohne dabei ständig Müll aufzusammeln. Und ich bin mir sicher, dass auch die meisten Tiere es vorziehen würden, nicht aufgrund verschluckten Plastikmülls verhungern oder durch das Plastikband eines Luftballons ersticken zu müssen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! Und erzählen Sie mir doch bei Gelegenheit, ob auch Sie vielleicht ein Umdenken bei Veranstalter_innen bewirken konnten wie ich bei der Gemeinde in Ostfriesland. Vielleicht bewirkt das mehr als bei einer desinteressierten Politik und offensichtlich verantwortungslosen Konzernen wie McDonalds.

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