Gefühle beschreiben in einer Autobiografie – wie geht das?
Gefühle sind so eine Sache, nicht nur im richtigen Leben, auch in Büchern, und besonders in Sachbüchern. Doch ganz ohne kommt eine Autobiografie natürlich nicht aus. Nur, wie kann man Gefühle beschreiben, ohne dass es kitschig, grausig oder peinlich wird?
Wir alle haben sie, nicht alle möchten über sie sprechen, manche leben sie ganz aus, andere halten sie meist gut unter Verschluss: Gefühle. Selbst in der Wirtschaft, die so ganz von Fakten und Zahlen getrieben scheint, sind Gefühle ein meist unterschätzter Faktor. Sie werden als Motivationsmotor genauso unterschätzt wie als Antrieb für Entscheidungen.
Erst in der Rückschau, zum Beispiel, wenn sich jemand daran setzt, die eigene Biografie zu schreiben, kommt zutage, wie viel Einfluss Gefühle tatsächlich auf das Leben und Arbeiten eines Menschen hatten. Über sie aber zu schreiben, ist enorm schwer. Denn wie drückt man sie aus, wenn nicht mit Langweiligkeiten, Plattitüden, Kitsch und Peinlichkeiten, die man lieber nicht in der eigenen Biografie sehen möchte?
Drei ganz einfache Kniffe, Gefühle nachvollziehbar zu (be-) schreiben
Sie wegzulassen ist natürlich keine Option. Denn ein autobiografischer Text ist nur glaubwürdig und beeindruckend, wenn das Geschriebene menschlich klingt – und zur Menschlichkeit gehören nun einmal die Gefühle. Wie Sie darüber schreiben, sollte aber auch nicht fremd und kopiert klingen, sondern man sollte Sie, Ihre Stimme, Ihre wahren Gefühle heraushören können.
Nutzen Sie deshalb einen dieser drei Kniffe, um Ihre Gefühle und die anderer lesbar, nachvollziehbar und ohne Kitsch und Peinlichkeiten zu beschreiben:
1. „Ich fühlte … “ vermeiden
Ich fühlte mich schlecht, ich fühlte mich gut – das klingt meist banal und abgedroschen. Und man fühlt nicht mit, wenn man das liest. Aber Sie möchten ja gerne, dass Ihre Leser_innen mitgehen mit dem, was Sie schreiben. Also sollten sie auch mitfühlen können, wenn sie über Ihre Gefühle lesen.
Schreiben Sie deshalb nicht „Ich fühlte mich schlecht“, sondern spüren sie nach, worin sich dieses Schlechtfühlen ausdrückte. Vielleicht hatten Sie einen Knoten im Magen, Sie wollten sich verkriechen, Ihre Beine gaben nach, Sie fühlten sich benommen, Ihr Kopf war plötzlich leer, Sie zitterten, Ihr Herz setzte aus, Ihnen war übel usw.
Dasselbe gilt für ein gutes Gefühl. Vielleicht war Ihnen ganz leicht zumute, Ihr Herz hüpfte oder Sie wären gerne selbst durch den Flur gehüpft, das Licht erschien plötzlich viel heller und freundlicher als vorher, Sie waren ganz entspannt und zuversichtlich usw.
Es gibt so viele Ausdrucksmöglichkeiten für „schlecht/gut fühlen“, die wir alle auch schon einmal erlebt haben. Und weil wir sie erlebt haben, können wir sie nachfühlen und erhalten so einen stärkeren, nachhaltigeren Eindruck von dem, was passiert ist.
2. Die Reaktion anderer beschreiben
Geht es um Gefühle, die im Beisein anderer entstanden, dann haben Sie die Möglichkeit, sie mit Hilfe der Reaktionen der anderen zu beschreiben. Manchmal ist es eindrücklicher und eleganter, nicht zu schreiben, wie man sich selbst fühlt, sondern wie das Gegenüber reagiert. Haben Sie jemandem einen Bonusscheck überreicht, dann mag sich das richtig gut angefühlt haben. Aber das ahnen wir, wenn wir das lesen – erzählen Sie uns nicht das, was wir ahnen oder wissen, sondern das, was wir nicht wissen können.
Hier könnte es sein, dass Ihr Gegenüber fassungslos den Kopf schüttelte, die Hand vor den Mund schlug, Ihnen um den Hals fiel, laut jubelte, sofort die Familie anrief, die Augen sich mit Tränen füllten usw.
Oder, wenn Sie auf jemanden wütend waren und beschrieben haben, wie Sie ihn angeschrien haben, wurde er ganz weiß im Gesicht, begann zu zittern, trat defensiv einen Schritt zurück und verschränkte die Arme, wurde selbst laut und schrie zurück usw.
So haben Sie immer eine wesentlich lebendigere Szene als hätten Sie nur banal und eindimensional geschrieben: „Es fühlte sich richtig gut an“ oder „Ich sagte ihm wütend, was ich von seiner Arbeitseinstellung hielt“.
3. Den Leser_innen vertrauen
Dies ist die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe beim Schreiben eines biografischen Textes: den Leser_innen zu vertrauen, an den richtigen Stellen die richtigen Gefühle zu entwickeln, ohne, dass man sie ihnen explizit vorschreibt.
Die Regel „Show, don’t tell“ wird gemeinhin der Belletristik zugeordnet, doch ist sie in einem Sachtext wie einer Autobiografie nicht minder wichtig. „Show, don’t tell“ heißt so viel wie: Zeige es, anstatt es zu erklären. Und das bedeutet im Zusammenhang mit Gefühlen zum Beispiel dies:
Schreiben Sie nicht, dass Ihnen beim Anblick des Meeres das Herz übergeht. Beschreiben Sie das Meer und das, was Ihnen das Herz übergehen lässt. Zeigen Sie den Leser_innen, was Ihnen so viel bedeutet, anstatt ihnen nur mitzuteilen, dass es Ihnen etwas bedeutet.
Schreiben Sie nicht, dass Ihnen das Gebäude, in dem Sie Ihren ersten Job antraten, Angst einflößte. Ihre Leser_innen wollen miterleben, was Ihnen da Angst einflößte. Zeigen Sie ihnen das Gebäude deshalb, beschreiben Sie den kalten, seelenlosen Beton, die dunklen, engen Flure mit den niedrigen Decken, die winzigen Fenster, die Farben, Gerüche, Geräusche, die Ihnen Angst eingeflößt haben. So bekommen Ihre Leser_innen ganz von selbst ein beklemmendes Gefühl, ohne dass Sie ihnen vorschreiben mussten, dass sie es sich nun vorstellen sollten.
Mit diesen drei Kniffen können Sie Gefühle so darstellen, dass sie weder langweilig sind noch kitschig, platt, nervig oder peinlich. Stattdessen werden Sie Ihre Leser_innen mitreißen und überzeugen können – und genau das möchte man ja, wenn man eine Biografie schreibt.
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